Donnerstag, 27. März 2014

Dankbarkeit

Feona hat auf ihrem Blog eine Blog-Initiative zur Dankbarkeit gestartet, auf die ich hiermit Bezug nehmen möchte. Bei Feona geht es darum, 1000 Dinge oder Umstände aufzulisten, für die man dankbar ist. Wie jeder das tut, ist persönliche Entscheidung - durch eine Unterseite auf Euren Blogs, ein hübsch gestaltetes Buch zu Hause, Post-Its am Bürotisch, jeder wie er mag.
Da ich selbst überhaupt kein Typ für Listen  und erfüllte Sollzahlen bin, werde ich daran in dieser Form nicht teilnehmen. Da ich aber gleichzeitig jemand bin, der für sehr viele Dinge sehr, sehr dankbar ist und da ich es für wichtig halte, mir diese Dinge auch immer wieder gewahr zu machen, besitze ich schon seit Jahren ein großes, dickes Dankebuch, in dem zum Beispiel Postkarten von Freundinnen aufbewahrt werden, Eintrittskarten von schönen Museums- oder Kinobesuchen, kurze Notizen über Dinge oder Situationen, über die ich mich freue und für die ich dankbar bin.
Außerdem gibt es in meiner Wohnung ein schmales Bücherregal im Flur, das ich als eine Art Danken-und-Bitten-Schrein benutze - da brennt mal ein Ewiglicht für einen kranken Freund, für den ich damit bitten will, oder es steht eine Blume da, die ich nach einem Konzert bekommen habe, wofür ich dankbar bin. Das ist vielleicht nicht notwendig, aber ich finde, einen festen Platz dafür zu haben, fokussiert die Aufmerksamkeit, und schließlich (oh, ich kann meinen Lieblingssatz wieder anbringen *jubel*): Energie folgt Aufmerksamkeit.

Und warum eigentlich? Warum sollen wir dankbar sein, in dieser Welt, in der viele von uns am Existenzminimum leben, ob nun durch HartzIV oder mit 3 Jobs macht ja da keinen Unterschied, in dieser Welt, in der Tiere auf so horrende Arten und Weisen zu Lebzeiten und im Tod gequält werden, in der es Kriege, Hunger, Verbrechen aller Arten gibt, in einem Leben, in dem jeder von uns (zumindest jeder meiner Freunde) schon irgendetwas wirklich Schlimmes, tief Verletzendes erlebt hat - ist das nicht dämliches Licht-und-Liebe-Geschwafel, reden wir uns die Welt nicht schön, während wir Augen und Ohren vor der Realität verschließen?

Ja, genau das tun wir, wenn wir danke sagen, ohne uns dankbar zu fühlen. Wenn wir unsere Ängste weiter schüren, wenn wir nur danke sagen, weil man uns das anerzogen hat, aber gleichzeitig ein schlechtes Gewissen behalten, weil wir etwas besitzen, weil uns etwas zuteil wurde - es ist das Gefühl, das tiefste Bauchgefühl, das uns die Wahrheit sagt.

DANKE sagen bedeutet: Ich sehe, daß mir etwas geschenkt werden soll. Ich freue mich, dieses Geschenk zu erhalten. Ich nehme das Geschenk an und akzeptiere, es verdient zu haben. Ich freue mich ganz und gar unbeschwert über diese Gabe.
Es bedeutet auch, Situationen voll und ganz anzunehmen als das, was sie jetzt gerade sind. Ich bin dankbarer dafür, einige wunderbare Menschen kennengelernt zu haben, als ich traurig darüber bin, daß ich sie wieder verloren habe. Diesen Punkt zu erreichen braucht natürlich seine Zeit, aber irgendwann kann man durchaus sagen "es ist, wie es ist, und ich bin dankbar, so viel erlebt zu haben".

DANKE bedeutet nicht: Ich nehme alles an, was mir aufgedrängt werden soll, weil Ablehnung unhöflich wäre (insbesondere denke ich dabei an aufgedrängte menschliche Gesellschaft). Oder ich nehme Dinge an, über die ich mich tatsächlich freuen würde, habe aber ein tierisches Schuldgefühl dabei und überlege die ganze Zeit, wie ich etwas Gleichwertiges zurückgeben kann. Falls ich das nicht schaffe, fühle ich mich doppelt schuldig und verankere in meinen Verhaltens- und Denkmustern "Geschenke machen mich schuldig, ich habe sie nicht verdient".
Es bedeutet auch nicht: Ich muß vor Demut auf den Knien rutschen, bis sie bluten. Und es bedeutet ganz sicher nicht, sich erst im Verhältnis zu anderen dankbar zu fühlen - wer erst dankbar sein kann, wenn er mehr hat als andere, egal was er selbst gerade braucht, sorry, der hat das Leben im Grundsatz nicht begriffen.


Also: Dankbarkeit muß ehrlich empfunden sein, sonst macht sie nicht glücklich. Daher lege ich jedem, der hier liest, sehr ans Herz, nicht nur mit der Begeisterung eines kleinen Kindes, das schöne Steine und Blätter sammelt, Eure Gründe für Dankbarkeit zu sammeln, sondern darüberhinaus, beim Danke-Sagen in Euch hineinzuspüren: Bin ich wirklich unbeschwert dankbar oder nagt da etwas an mir? Falls ja, was ist es? Stört mich, daß jemand neidisch sein könnte? Möchte ich das Geschenk teilen oder ganz für mich behalten (beides ist gut und richtig, je nachdem, wie es sich für Euch anfühlt)? Fühle ich mich schlecht, weil ich so oft nehme und so wenig zu geben habe? Ist das tatsächlich so oder kann ich vielleicht andere Dinge geben als Materielles? Kommt das Geschenk von Herzen oder möchte mich da jemand in eine Abhängigkeit drängen? Freue ich mich nur, weil ich es nicht bezahlen muß, obwohl ich es eigentlich gar nicht brauche? (Immer ein Ausschlußgrund für mich.)

Und übrigens: Viele Menschen schämen sich, dankbar zu sein. Glücklich zu sein. Zufriedenheit auszustrahlen. Sie haben Angst, zu zeigen, daß es ihnen gut geht - vielleicht Angst, daß ihnen das weggenommen wird, worüber sie glücklich sind, wenn sie es zu sichtbar machen; vielleicht Angst, daß ihnen von weniger begüterten oder weniger mit Glück gesegneten Menschen Neid und Mißgunst entgegengebracht werden und sie ihre Freunde verlieren; vielleicht auch, daß sie nie mehr vom Leben im Allgemeinen beschenkt werden, wenn sie jemals alles haben, was sie brauchen. Sie fangen gar nicht erst damit an, sich zu freuen, sondern strahlen nach außen immer gedämpft aus einem selbstkonstruierten Jammermantel heraus.
Auf die Frage, wie es jemandem geht, hört man doch meistens ausweichende Antworten ("muß ja", "geht schon" oder meine liebste Anti-Antwort "und selbst?") oder direkt ein Jammerlied: Heute Kopf, gestern Bauch, morgen kommt bestimmt der Zahnschmerz wieder, ich merk da schon das erste Vorzeichen, und finanziell sieht es auch wie immer beschissen aus, dabei sind wir aber ständig überarbeitet, und die Arbeit macht selbstverständlich keinen Spaß. Ich finde das ganz, ganz traurig, denn ich glaube wirklich, diese Konzentration auf das, was schmerzt, gibt dem Schmerz viel zu viel Fokus und Raum in unserem Leben. Was bleibt ihm denn da übrig, als sich wohlzufühlen und breit zu machen?

NIE gibt jemand die Antwort: "Super." Außer mir, ich betreibe das seit einigen Monaten als Sport. ^^ Und die Leute glauben mir nicht! Manche sind ganz fassungslos und sagen sowas wie "Das gibt's doch nicht - aber bei Deinem Arbeitspensum! Du hast doch nicht mal freie Wochenenden! Und keinerlei Sicherheiten! Und immer dieses Gefahre über die weiten Strecken!" Ja klar, aber dennoch - ich bin glücklich, denn ich darf jeden Tag Musik machen. Ich bin dankbar, davon leben zu können. Nicht großartig leben, aber ich muß keine Angst um meine Miete haben und konnte mir letzten Monat neue Schuhe kaufen - ich habe schon wesentlich schlechter dagestanden und ich bin wirklich, ehrlich jeden Tag wieder dankbar dafür, das alles tun zu können, was ich tue, ohne grundlegende Existenzängste. Meine Gesundheit ist in Ordnung, mein Sozialleben ebenfalls, ich habe sogar noch Zeit, zwei sehr schönen Hobbies nachzugehen, und ich finde wirklich, wenn es mir so gut geht, kann ich das auch ausstrahlen. Vielleicht steckt es ja ein paar Leute in meiner Umgebung an und sie strahlen mit und freuen sich über das, was sie haben, statt irgendwelchen anderen Dingen nachzujammern. =)

Welche Erfahrungen habt Ihr mit Dankbarkeit gemacht?

Hier noch was zum einLuLen ;-)



6 Kommentare:

Kivi hat gesagt…

Ein EHRLICHES Danke für diesen Eintrag, sehr inspirierend und auch hilfreich. Ich habe erst in letzter Zeit gelernt für die kleinen Dinge dankbar zu sein, und auch dankbar zu sein, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, ohne mich zu fragen ob und wie und wann ich etwas Gleichwertiges zurückgeben muss/kann/darf.
Momentan kann ich zwar nicht auf die Frage, wie es mir geht, antworten "Super", da es mir nicht wirklich super geht, weil überarbeitet und die Gesundheit ist gerade auch nicht die beste. Aber wenn es mir gut geht, dann sage ich das auch so. Und bin dankbar dafür.
Ja, in einer solchen Welt sollte man geradezu dankbar sein für all die kleinen guten Dinge, denn wenn man nur das Ngeative sieht, dann zieht einen das noch weiter runter. Auch das musste ich lernen. Sieht man die guten, positiven kleinen Dinge und ist dankbar dafür, wird man immer mehr beschenkt, zumindest kommt mir das so vor.
Ich bin auf jeden Fall dankbar für mein Leben, auch wenn es gerade nicht so rosig ist. Aber es könnte schlimmer sein ;)

Danke!

Kivi

athena hat gesagt…

Ein sehr schöner und vor allem schwungvoller Beitrag! :D
Ich bin ein sehr dankbarer Mensch und das Thema ist meiner Meinung nach essentiell wichtig, um überhaupt jemals glücklich werden zu können. Klar jammer ich. Klar hab ich Ängste. Aber für alles, was ich habe in meinem Leben (Menschen, Tiere, Liebe, Gesundheit, materielle Freuden, ein wundervolles Zuhause usw. usf.) bin ich immer und jeden Tag dankbar. Und ich mache mir das auch bewußt. Also werde ich natürlich auch bei Tricias Aktion mitmachen. Aber vermutlich eher listenmäßig ;-)

Tricia Danby hat gesagt…

Danke für den Beitrag :)

Tricia Danby hat gesagt…

http://tricia-danby.blogspot.de/

Hummel hat gesagt…

Ah, danke für den neuen Link, ich ändere das gleich.
@Kivi und Athena: Klar haben wir alle unsere Durchhänger und dann sollten wir natürlich nicht so tun, als ob alles grandios wäre. Nur: sich immer auf die Schattenseiten zu fixieren bringt doch nichts. Wie mein kluger Bruder mal sagte: Erst, wenn Du akzeptierst, wo Du stehst, kannst Du den ersten Schritt von dort weg machen.

Deine Liste wird bestimmt ein toll angelegtes Buch, Athena. :D

smilehelper hat gesagt…

Ein wahrlich beeindruckender Artikel. Ja, ein Artikel, absolut druckreif, wie ich finde.
Hab öfter schon danke gesagt, weil es unhöflich gewesen wäre, ehrlich zu sein bzw. die Angst dahinter steckte, jemanden zu verletzen.
War aber auch schon oft von ganzem Herzen dankbar, dafür dass ich meine Familie und Freunde habe oder bestimmte Dinge erleben konnte.
Was ich aber auch wiederum gut kenne ist, Scham für große Geschenke oder für eigenes Wohlergehen und -befinden zu empfinden. Manchmal hab ich mich schon über eine Packung Kekse, also Kleinigkeiten, vor allem wenn sie mir spontan und unerwartet zu teil wurden, viel, viel mehr gefreut, als über Großigkeiten.
Ein weitreichendes Thema. Ich proste hiermit den wunderbaren Kleinigkeiten zu, die den Alltag schöner, bunter, leichter machen. Prost an Regenbögen, Sonnenuntergänge, Blumen, Schmetterlinge, Streetart, etc., etc.