[Wetter] Herbst. Mal kalt, mal warm, immer windig, oft verregnet. Perfekt.
[Gemacht] Gearbeitet. Gemailt. Durchgehalten. Gelächelt. Ums Verrecken gelächelt, tagelang.
[Gesundheit] Blendend außer juckenden Ohren, wie immer.
[Kreatives] Sollte man meinen. Ist aber eher das Gegenteil.
[Genossen] Besondere Emails. Applaus. Gestern Abend ein ausgedehntes Wannenbad bei Kerzenschein.
Ein Gespräch am Frühstückstisch der Pension, wo ich am Wochenende übernachtet habe, mit einem knapp 70jährigen Ingenieur, der ein erstaunlich interessanter Mensch war. Wir kamen vom Schiffshebewerk, welches wir beide großartig finden, auf Weltpolitik und Philosophie im Alltag. Am Ende fragte er mich, was ich denn beruflich machen würde, und ich sagte, ich sei Musikerin. "Oh", rief er anerkennend, "dann sind Sie ja ein ausgesprochen wichtiger Teil der Gesellschaft!" Ha, ja, dachte ich. Ein wichtiger Teil einer Gesellschaft, die an diesem Teil dauernd herumamputiert.
[Gelernt] Es geht immer noch schlimmer.
Selbst die Leute, die mir hier helfen wollen, begreifen das Grundsatzproblem nicht, also werde ich mir wieder selbst helfen müssen. Wie immer das gehen soll.
Menschen, von denen man das nicht mehr erwartet hat, können sich ändern. Zumindest hoffe ich, daß dieser Eindruck nicht täuscht.
[Gefreut] Über ein total ehrliches Kompliment einer Schülermutter.
Über ein wunderbares Zitat, das mir ein Freund geliefert hat und das mich über den Samstag rettete.
[Geärgert] Maßlos. Zu viel für dieses Blog. Seit der Stress langsam abfällt, sprich, seit dem Aufwachen heute früh, bin ich eigentlich durchgehend mies gelaunt. Ich bin sogar beim Telefonieren mit dem Chef in Tränen ausgebrochen. Peinlich. Und alles, was er sagen konnte, war: "Aber die Region braucht einen Menschen Ihres Charakters!" und alles, was ich sagen konnte, war: "Aber ich weiß nicht, ob mein Charakter diese Region braucht!", womit irgendwie alles gesagt ist.
Außerdem darf ich mich jetzt Donnerstag mit ihm und all meinen Lieblingskollegen treffen. Also wieder nix Jam Session.
[Gelesen] Immer noch die Wolfsfrau. Ich kämpfe mich durch dieses Buch wie durch die Arbeit. Aber anders als bei der Arbeit weiß ich, daß hier ein Ende absehbar ist und daß es trotz unserer Meinungsunterschiede auch seine guten Seiten hat.
[Gesehen] Fremde Menschen ohne Ende.
Verhalten, durch das ich aus jeder Pore kotzen wollte.
Rabenschwärme und Zugvögel.
Meinen Exmann.
[Gehört] Viel richtig gute Blasmusik.
Verlogenste öffentliche Anerkennung, hintenrum Geläster auf niedrigstem Niveau.
Speichelleckerei.
Gut gemeinte Aufmunterungsversuche.
Mumford & Sons.
Regen auf den Dachfenstern.
[Getrunken] Kaffee, mehr Kaffee und noch mehr Kaffee.
[Gegessen] Salat am Veranstaltungsort, mit einem müden Lächeln über die Bemerkung, daß aber in den Bouletten auch Gemüse drin sei.
Gestern nach der Arbeit bei meinem Bruder hungrig zwei dicke Scheiben Brot, weil ich wieder mal vergessen hatte, daß ich ja irgendwann auch etwas essen muß. Der letzte Schüler konnte kaum so laut spielen, wie mein Magen geknurrt hat.
Pasta mit Hummels Spezialsauce (passierte Tomaten, ein Schwapps vegane Sahne, viel Pfeffer, Zitronengras, hmmmm).
[Gedacht] Du widerliches, bigottes kleines Stück Dreck.
Lächelllllln!
Wenn das die Aussichten auf den Rest meines Lebens sind, würde ich jetzt bitte gerne aussteigen.
Hallo, meine alte Kaffeemühle! Schön, Dich wiederzusehen! Hallo, meine alte Kommode!
In einem Zusammenhang: Womit habe ich soviel Zuneigung verdient?
Und in einem anderen: Womit habe ich diese stählerne Wand aus Ablehnung verdient?
Mal eine Woche gar nicht zocken ist auch sehr schön.
Der Dirigent haßt das Orchester!
[Gekauft] Ein Buch, das ein Geschenk werden wird.
Ich hatte es auf neue Stiefel abgesehen, da die alten einen Riss haben, aber beim Anblick der Preisschilder habe ich beschlossen, sie mit Panzertape wieder wetterfest zu machen.
Eine Lilie für den Pflanzentisch, weil mir nach Duft war, wenn ich nach Hause komme.
[Gelacht] Immer wieder Mittwochs. Meine Klavierschüler sind wirklich prima. Ich beginne mit klein Lilly, die der totale Knaller ist, und ende mit einem Anwalt, der enthusiastisch alles über das Großhirn lernt und jede Stunde wieder begeistert ist, daß in der Musiktheorie alles einen Sinn macht. Ich mag meine Mittwoche.
[Und sonst so] Künstler im Allgemeinen und Musiker im Besonderen sind, was immer verklärte Klassikradiohörer glauben, keine besseren Menschen als alle anderen Menschen auch. Das wurde mir schon zu Studienzeiten überdeutlich klar. Dennoch verabscheue ich bis heute nichts so sehr wie Leute, die Musik benutzen wie eine Gummipuppe zur öffentlichen Selbstbefriedigung am Bühnenrand. Denen scheißegal ist, wie das klingt, was da klingt. Die sich die Kante geben, bevor sie auftreten. Die sich an schneller-höher-lauter aufgeilen. Die alles, was nicht ihrer Selbstdarstellungsneurose zuspielt, behandeln wie den letzten Dreck.
Und ich sehe fassungslos auf die anderen Leute, die diesen Pseudomusikern dann auch noch frenetisch zujubeln.
Was tue ich hier eigentlich? Ich weiß, wo ich weg will. Jetzt müßte ich nur noch wissen, wohin.
[Ausblick] Nur noch eine Woche bis zu den Ferien. Gottseidank.
Ich will mich nicht verändern - jedenfalls nicht in eine Richtung, die mir aufgezwungen werden soll und die konträr zu meiner gesamten Persönlichkeit steht. Ich will nicht so-sein-wie. Ich will so sein, wie ich es bin, ohne dafür als verweichlicht hingestellt zu werden.
Denn schwach bin ich sicher nicht. Ich bin nur einfach leiser stark.
Ich möchte auch leise brüllen dürfen.