Donnerstag, 28. August 2014

Träume


Ich sitze auf einer Bank. Es ist eine schmale Straße, das Haus gegenüber ist nur vielleicht 2, 3 Meter entfernt. Es ist beinahe so dunkelgrau wie die vor Langem ashphaltierte, rissige, löchrige Straße. Die Bank ist alt und fleckig von der Zeit und dem Schmutz, der hier alles bedeckt. Es ist dunkel, Dämmerung; ich weiß, daß irgendwo da links noch die Sonne scheint, aber hier, wo ich sitze, merkt man nichts davon. Ich sehe auf das Haus gegenüber. Hinter dem gebrochenen und offenen niedrigen Fenster im Erdgeschoß steht eine Frau mit einer Schußwaffe. Auch links von mir ist eine Frau. Beide sind mittleren Alters, tragen die traditionelle Kleidung - Kopftuch, langes Gewand - und unlösbar mit allem verbunden, dieser Straße, diesem Haus, dieser Dunkelheit. 
Die Frau im Haus verlangt von mir, hineinzugehen. Hinein zu den Männern. 
Nein. Nein, ich will nicht, die Gatten, Brüder, Onkel dieser Frauen haben mir und meinen Freundinnen schon zuviel angetan, immer und immer wieder. Ich kann nicht mehr. Ich gehe nicht hinein.
Die Frau im Haus bedroht mich durch das Fenster mit der Waffe. Ich denke kurz, beinahe verspielt über meine Möglichkeiten nach. Dann sehe ich ihr in die Augen und schüttle den Kopf. Ich bleibe sitzen. Sie schießt. Erst in die Beine, sie trifft mich in die Wade. Dann zielt sie höher, der nächste Schuß reißt mir den Oberschenkel der Länge nach auf. Dann in den Bauch. Während sie schießt, sitze ich nur da und erwarte nichts als den Schuß, der mich töten wird. Sie ist ganz ruhig. Das bin auch ich. Die Tränen laufen, denn ich hätte gerne gelebt, irgendwann hätte ein Wunder mich vielleicht aus dieser Straße gespült, nach links, dahin, wo die Sonne ist. Aber jetzt sterben ist besser, als wieder hineingehen müssen, darum weine ich nur wenig, als sie mir beim Zielen in die Augen sieht.


Ich schrecke hoch. Es ist Mittwoch, und es war wieder so eine Nacht, wieder so ein Traum. Sind denn vierzehn Jahre Angst, Wut, Selbsthass, Reue, Schuldgefühle, Flucht noch immer nicht genug? Ich stehe auf, nur 5 Stunden Schlaf und dann auch noch sowas, ich fühle mich wie gerädert, wanke in die Küche, schalte den Wasserkocher ein, wanke zum Computer, schalte auch diesen ein, mache den Häschenstall sauber, alles als müßte ich eine schwere nasse Decke mit mir tragen. Ich schreibe die ersten frühen Emails - Programmabläufe für Kollegen, Dinge, bei denen es egal ist, wie lange man wortlos starrend den Finger über der Entertaste hängen läßt.
Ich ziehe mich an, packe meine Tasche und werfe mich auf die Autobahn. Ich beginne meinen 12-Stunden-Tag, schalte das Radio ein, um Nachrichten und Verkehrsfunk zu hören. In Rotherham, Großbritannien sind in 16 Jahren 1400 Kinder vergewaltigt worden. Alle Kinder stammten aus pakistanischen Familien, sagt die Sprecherin.
Vor mir fährt ein Transporter mit Schlachtvieh.
Manchmal hasse ich die Menschen so sehr, daß ich mich selbst wie eine enge, schmutzige Straße fühle.

8 Kommentare:

Silberweide hat gesagt…

Harter Stoff.....*intiefesgrüblnversinkt*

Drück Dich♥

Sandra hat gesagt…

Ich finde dazu keine Worte..
♥♥♥

smilehelper hat gesagt…

Hummelchen, hast Du diese schreckliche Szenerie etwa geträumt??? HILFIE!!! Dachte erst Du zitierst aus einem Buch, aber da bin ich mir nicht mehr sicher. Ich träume auch stets intensiv und sehr real, aber so etwas Krasses hab ich noch nie geträumt. Was ist dir da nur Schreckliches zugestoßen, dass dein Unterbewußtsein solche Bilder produziert?

Erhol dich gut davon. Zum Glück ist es (heute) nur noch ein Traum.

smilehelper hat gesagt…

Oops, hab den Titel nicht gesehen...TRÄUME!!!

athena hat gesagt…

Fassungslos...

Hummel hat gesagt…

Ja, heute nur noch ein Traum. Ich hab die ganze Woche so übel geträumt, daß ich mich nach normal langen Nächten wie gerädert gefühlt habe und es immer noch tue und der Alltag mir dreimal schwerer fällt als er sollte. Aber nun… es ist nicht (mehr) real, oder vielleicht ist es immer nur so real, wie ich es sein lasse. Egal.

athena hat gesagt…

Ich weiß einfach nicht was ich sagen soll.... Es tut mir so leid. Du kannst mir Deine Träume schreiben oder mich sogar im Büro anrufen, wenn Dir das irgendwie hilft. Ich bin da. Auch wenn Du mich nicht siehst <3

Hummel hat gesagt…

Ach Schnuffel… dankeschön. Manchmal ist das einfach so und irgendwann geht das dann auch wieder weg. *umarm* Es ist immer gut zu wissen, daß Du da bist.