Samstag, 22. Februar 2014

Hin und her gebrummt

Gestern auf dem Weg zur Physiotherapie. Ich gehe die Treppe zur Praxis hinunter, während gleichzeitig eine alte Frau hinaufkommt. Ich kenne sie nicht, aber da ich 1. dazu erzogen wurde, ältere Menschen zu grüßen und es 2. in Strömen regnet, weshalb ich strahlend guter Laune bin, nicke ich ihr freundlich zu und murmle "Tach". Statt zurückzunicken, perplex zu gucken oder sich abzuwenden, wie es die meisten Leute tun, die mit meinen unverhofften Begrüßungen konfrontiert werden, bleibt sie wie angewurzelt stehen, sieht sie mich mit unverwandt an und langsam breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Erst, als ich den Fuß der Treppe erreicht habe, bringt sie ein Wort heraus und sagt:

"Nanu - so ein Gesicht trifft man hier?

Hä?, denke ich, und frage mich, was an meinem Gesicht vor einer kleinstädtischen Physiopraxis falsch sein könnte. Dann sehe ich die Frau genauer an - Rentnerin, typischer Mantel, typische Schuhe, typische Mütze - könnte eine von Hummelmamas Bekannten sein. Hummelmama hat nämlich für einen großen Sozialverband gearbeitet und jedem - JEDEM! - Menschen in dieser Stadt, der den Fehler beging, ab Mitte der 90er Jahre ihr Büro zu betreten, selbst Kinder / Enkel / entfernte jüngere Verwandte zu besitzen oder gar (bewahre) über Musik zu reden, mein Foto auf ihrem Schreibtisch gezeigt, als ich ins Internat ging, und zu behaupten, ich wäre etwas Besonderes. Also nicht nur für sie, sondern objektiv. Ganz klar.
Die Bevölkerung meiner Heimatstadt, in die ich eigentlich nie zurückziehen wollte (warum nur?), hatte also jetzt knapp 20 Jahre Zeit, sich meine Nase einzuprägen und assoziiert mit dieser Nase völlig richtig hohe Musikalität und total abgedrehte Vorfahren.

Ich gehe also ein paar Stufen wieder hoch, um mit ihr zu sprechen, und setze schon dazu an, ungefähr sowas wie 'ach, Sie haben mich bestimmt an meiner ausgeprägten Mutter erkannt' zu sagen, da kommt sie mir zuvor und plaudert weiter:

"Wissen Sie, ich bin nämlich ein großer Fan von Ihnen!"

Oha, denke ich, da hat Mama ganze Arbeit geleistet.

"Ich fahre jedes Jahr zum Weihnachtsgottesdienst von der Innenstadt in dieses Dorf, wo Sie immer singen. Das ist mir nicht zu weit! Weil es einfach so schön ist! Fahre ich jedes Jahr!"

Meine Überzeugung gerät ins Wanken.

"Und als Sie im Herbst das Konzert mit den Instrumenten gemacht haben, da war ich auch! Da habe ich zum ersten Mal eine echte Stradivari gesehen und auch gehört - danke dafür!"

Ich bekomme feuchte Augen. Zum Teil aus Rührung, zum anderen Teil, weil ich mir vor unterdrücktem Lachen fast in die Hose mache. Außerdem werde ich ein kleines bißchen rot. Denn von den 4 Streichern in meinem Ensemble spielt natürlich niemand eine  Stradivari. Aber wir spielen manchmal Schlagwerk mit 2 Löffeln auf einem Salatbrett und nennen dieses edle Instrument unser Stradivari. Ausgesprochen natürlich extrafalsch: Schtradivari. Mir selbst fällt das schon gar nicht mehr auf, es ist durchaus möglich, daß ich in der Moderation etwas gesagt habe wie "und am Stradivari hörten Sie…"  *räusper*
Ich kläre die liebenswürdige alte Dame nicht auf, das würde mir das Herz brechen. Stattdessen lächle ich lieb zurück, als sei das doch eine Selbstverständlichkeit, daß sie auch mal eine Stradivari sieht und hört. Zum Abschied sagt sie mir noch, daß sie mir alles Gute wünscht, und beschwingt gehen sie treppauf und ich treppab.

Hey - ich wurde auf der Straße angesprochen! Von einem Fan! Jemand, der mich gar nicht kennt und nicht aus biologischen und/oder soialen Gründen dazu verpflichtet ist, mir zu applaudieren. Ist das nicht abgefahren?


Auf der Minusseite dieser Woche ist eindeutig die Auflösung meines Raids zu verzeichnen. "Mein" Raid ist natürlich nicht wirklich die passende Bezeichnung, da ich als schlechtestes und unregelmäßigstes Mitglied kaum mal dabei war, aber sie haben mich immerhin wie ein süßes Straßenkaninchen adoptiert und versucht, ein Rennpferd aus mir zu machen, und ich trauere ihm nun schon 2 Tage nach und kann es immer noch nicht fassen. Auch sämtliche Alternativvorschläge scheinen irgendwie am Großteil der Gruppe, die jetzt keine Gruppe mehr ist, abzuperlen. Einzig die Berliner schienen traurig über dieses Ende zu sein und nicht wirklich aufgeben zu wollen. Aber wir sind leider in der Unterzahl. =(  Verdammt, dabei habe ich es endlich, trotz meiner sehr unregelmäßigen Spielzeiten (3 Fixtermine die Woche - hahahaha - ich war in einem halben Jahr exakt 5 Mal mit, davon nur 3x Normalmodus) geschafft, regelmäßig über 100k dps zu machen, in lustigen Trashgruppen sogar das Doppelte… verdammt, verdammt, verdammt. Ich hasse es, wenn Leute aufgeben. So ganz und gar aufgeben. Umdenken müßte doch drin sein, anders machen - aber einfach still stehenbleiben, weil der eine Weg nicht funktioniert, das finde ich doof.

Also schön. Ich habe Möglichkeiten für andere Raids, vielleicht will mich ja wirklich einer von denen, egal, wie oft ich abends arbeite. Wenn nicht, ist auch nicht schlimm, da ich mein Herz für PvP entdeckt habe und das ohnehin zu selten genieße. Richtig doof wäre nur, wenn die ganze Gilde als Sozialgefüge darunter leidet, aber das wird die Zeit zeigen. Nuffnuff sagt das Kaninchen.

Und irgendwann dieses WE muß ich unbedingt mal einen Artikel über was anderes schreiben, das mir schon seit Jahren im Kopf herumgeht. Aber das braucht Zeit, und die habe ich jetzt nicht, da ich die zweite Hälfte blitzeisbedingt ausgefallener Schüler nachhole. Mal gucken, ob heute werd kommt - ich nehme mir wohl besser ein Buch mit.

4 Kommentare:

athena hat gesagt…

Raid? PvP? Hat das alles was mit WOW zu tun?
Und die süße alte Daaaamee, schööön! =D
Warte ab, sowas wird Dir in Zukunft noch öfter passieren :-)

Hummel hat gesagt…

Das wäre natürlich toll.
Ja, der Raid ist eine WoW Gruppe. Gewesen. *nüffnüff*

Anonym hat gesagt…

Ich denke, es ist eher erstaunlich das der Raid dem Sozialgefüge während seiner Existenz nicht geschadet hat.
Man muss nicht jeden Holzweg zuende gehen.

Hummel hat gesagt…

Da ist was dran. Trotzdem berührt mich das. Ich bin eben eine nostalgische Nudel.