Mittwoch, 7. November 2012

Die Grenze von Skrupelhaftigkeit

Heute in der Musikschule. Ein Schüler, der ziemlich gut mit dem Instrument umgeht und nur zu gerne von Mama und dem Musikschuldirektor herumgereicht wird, um bei diversen Anlässen mal was zu spielen (was ich nur bedingt gut finde, denn er hat einfach zu viele Termine für einen 15jährigen und nicht die Ruhe, mal an neuem Repertoire und vor allem seiner unguten Fingertechnik zu arbeiten - aber wer bin ich schon, nur seine Lehrerin) erzählt mir, letzte Woche habe der Direktor angerufen, er solle doch auf Veranstaltung xy unserer Kleinstadt nicht nur drei, sondern fünf Stücke spielen. Daraufhin suchte der Schüler sich also noch zwei Werke, die er irgendwann mal gut beherrscht hatte und gab sein Bestes, um sie wiederherzustellen, obwohl er nur zwei Tage Zeit hatte und mich nicht mehr sah in der Zeit. Eines der Stücke war eine Jazznummer mit dem Titel "Nightmare".

Er legte das Stück heute aufs Pult und erzählte grinsend, der Direktor habe es auf der Veranstaltung als "Night" angekündigt. Wie er dem Jungen wohl zu verstehen gab, könne man ja schlecht vor Stadtverordneten etwas mit dem Namen Alptraum spielen. Ich starrte ihn nur an. Ist es möglich, daß sich jemand wegen eines Stücktitels beschweren würde? Nein. Ausgeschlossen. Vor allem, wenn Leute im Publikum sitzen, die zu klatschen beginnen, wenn das Duo auf der Bühne (der Junge und seine kleine Schwester) sich verspielt und abbrechen muß, weil sie von vorne anfangen wollen - weil alle denken, das Vivaldikonzert wäre jetzt eben vorbei. Nein, da muß man keine Skrupel wegen eines Titels haben, oder?

Ich meine... was habe ich denn dann während meiner Schulzeit gespielt? Eine Arab von Debussy? Einen Rhaps von Brahms? Die eine oder andere Bachfu und ein Präl von Gershwin. Außerdem habe ich mehrere Orat gesungen, im Studium die eine oder andere Sin dirigiert…

6 Kommentare:

athena hat gesagt…

Ich weiß zwar nicht was Du da unten alles aufzählst, aber ich find´s ebenfalls irgendwie unmöglich, dem Jungen so gegenüber zu treten. Vollpfosten! :/

Hummel hat gesagt…

Naja, der Junge hat's mit Humor genommen. Er mußte ja einfach nur spielen, der Direktor hätte das Stück auch mit Fantasienamen belegen können.
Ich mag nur prinzipiell nicht, wenn man sich auf diese Art die Welt zurechtstutzt. Der Komponist hat sich vermutlich bei dem Titel was gedacht, und wenn man das Stück schön interpretiert, kommt da auch was schön Gruseliges bei raus. Wo also ist der Sinn dabei, einen Titel zu verkürzen? Das Stück ist deshalb trotzdem kein fröhliches Liedchen.

Tina hat gesagt…

kicher, vor allem die rhapse (oder heißt es dann rhaps's)habe ich sehr geliebt. dieser h-moll rhaps - seufz...
zu den skrupeln des direktors kann ich auch nur den kopf schütteln. dann muss man sich eher überlegen, ob das stück dem rahmen angemessen ist. also ich könnte mir zum beispiel vorstellen, dass es unangebracht wäre in einer kirche ein stück zu spielen, was beispielsweise "des teufels diener" der so heißt (ich denk mir was aus, aber du weißt, was ich meine, ja?) aber den namen ändern, damit das stück in den rahmen passt, find ich reichlich albern.

Rowan hat gesagt…

Menschen...Stumpfe Menschen.

Hummel hat gesagt…

Klar - man spielt nicht wissentlich einen Hochzeitsmarsch auf einer Beerdigung und auch Dein Kirchenbeispiel, Tina - ganz klar. Aber das war einfach nur eine Jazznummer und der Alptraum hätte wohl kaum jemanden nach Hause begleitet. Zumal der Junge und ich noch sehr damit zu tun haben, Musik auch mit Inhalt zu füllen; besonders gruselig klingt es nicht, wenn er das spielt.

@Ash: Der Direktor ist eigentlich gar kein Stupido. Ein sehr feinsinniger, oftmals viel zu weitschweifiger, eigentlich höchst liebenswürdiger Mann, der einfach zu viele Skrupel hat und meiner Meinung nach im falschen Jahrhundert geboren ist. Vor 150 Jahren hätte ich ihn sicher sympathisch und amüsant gefunden. Gut, tue ich heute auch - und ich achte ihn, obwohl ich das mit dem Titel total albern finde. Ich stelle mir immer vor, wie er mit so einer Halskrause über einem seidenen Gehrock durch die Welt schreitet.

Tricia Danby hat gesagt…

Stücke abzukürzen, weil es nicht passt. Gehts noch?

Der arme Künstler!

Menschen ...