Freitag, 2. November 2012

Halloween | Samhain | Totengedenken

Wozu tut man das eigentlich? Warum feiern wir dieses Fest und warum feiern wir es auf die Art, wie wir es tun? So grell, im Vordergrund stehen knallige Plastik- und Kunststoffkostüme von Skeletten, Spinnen, Hexen und allem, was sonst noch so eine unterschwellige Berührungsangst auslöst. Alles überzeichnet, alles in schwarz kombiniert mit Neonfarben, alles laut, gut beleuchtet und mit Alkohol und Rockmusik untermalt. Ich glaube, die meisten Menschen malen mit bunten Farben an, was ihnen Angst macht, und fast jeder hat namenlose Angst vor dem Tod oder vor dem Sterben oder beidem. Daher muß es überzogen werden, es muß angebrüllt werden, es muß mit Kostümen gleichzeitig versteckt und hervorgezerrt werden auf eine Art, die auch Kinder verstehen und lustig finden und die dem grundlegenden Thema etwas von seiner Fatalität nehmen. Es ist eine Form der Auseinandersetzung mit dem Tod, und wer sich nicht tiefer auseinandersetzen kann oder will, bleibt eben dort stehen - aber wer weiter hineinsehen will in das innere Dunkel, hat ebenfalls die Möglichkeit an diesem Tag.

Warum feiere ich dieses Fest?

Ich für meinen Teil feiere Ahnengedenken. Ich nenne das Fest auch so und nicht bei einem seiner anderssprachlichen Namen - so wie für mich Lichtmess immer Lichtmess sein wird - weil dieser Name genau seinen Inhalt für mich ausdrückt.
Ich bin der Meinung, daß es ganz gut ist (für mich jedenfalls), ab und an mal einen Blick zurückzuwerfen. Ewige Geradeausschauer verlieren genauso ein Gefühl für den eigenen Standpunkt wie Leute, die sich stets nur nach Vergangenem sehnen. Also , um der Ausgewogenheit und Standortbestimmung willen, einmal im Jahr ist es für mich persönlich wichtig, mir die Zeit und einen offiziellen Anlaß zu nehmen, um auf verschiedene Dinge zurückzublicken.

Meine Ahnen. - Wie stehe ich zu ihnen? Hatte ich überhaupt einen Bezug zu meinen Großeltern, beziehe ich mich in meinem Leben auf sie, in meinem Denken? Oder sind das nur Leute, die ihre Gene weitergegeben haben? Welche Rolle spielen die noch lebenden Ahnen, meine Eltern, Oma, Tanten und Onkel, meine älteren Geschwister für mich? Welche Rolle spiele ich für sie?

Leute, die ich geliebt habe und die vor mir verstorben sind. - Dazu zähle ich meinen Hund. Dazu zähle ich ungeborene oder früh gestorbene Kinder, Nichten, Neffen (die es bestimmt in jeder größeren Familie gibt) oder wichtige Figuren in meinem Leben, die eigentlich nicht mit mir verwandt sind, deren Tod mir aber bedeutsam vorkam. Wie verändert sich von Jahr zu Jahr der Schmerz, wenn ich daran zurückdenke, wie es war, als er oder sie gestorben ist? Wird er weicher, weniger schneidend? Stelle ich vielleicht die Zeit, die man gemeinsam gelebt hat, zunehmend in den Vordergrund meiner Erinnerungen? Habe ich zu manchen von ihnen auch jetzt noch Kontakt?

Die Seelen Verstorbener im Allgemeinen. - Ich finde, daran kann man zu einem solchen Fest ruhig auch mal einen Gedanken verschwenden. Ich bin mir sicher, ein Gedanke reicht ihnen schon, um sich erinnert und wahrgenommen zu fühlen.

Um zu feiern, richte ich immer ein Abendessen aus. Meistens alleine, dieses Jahr mit meiner Mama gemeinsam. Es ist natürlich herbstlich und fast immer ist der Hauptbestandteil Kürbissuppe, die ich einfach liebe. Dieses Jahr gab es ein selbstgemachtes Karottenbrot dazu, außerdem Cidre und Wein.


Die Damen und Herren Ahnen bekommen ein eigenes Gedeck. =) Wenn man in der Familie oder einer Gruppe feiert, kann man einen "Liebeskelch" mit Wein oder Saft herumgehen lassen. Jeder nimmt einen Schluck und sagt dann, wen von seinen Ahnen er an die Tafel mit einlädt. Ich finde das schon allein deshalb einen schönen Brauch, weil man durch das laute Aussprechen des Namens sich selbst einen greifbaren Bezug zur betreffenden Person schafft. Meine Mama und ich haben das gemacht und nur die netten und sympathischen Ahnen eingeladen. =) Dann sind wir beim Essen richtig schön ins Plaudern gekommen - als säßen wir tatsächlich in einer großen Runde. 

Nach dem Essen gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Brot, das man symbolisch mit den Ahnen gebrochen hat, diesen zukommen zu lassen. "Opfern" klingt immer so… komisch. Man kann das Zeug einfach rituell in der Kloschüssel versenken. Wer das Glück hat, in der Nähe eines Waldes, Baches oder gar beider Dinge zu wohnen, kann die Speisen vergraben, in den Wald kippen oder dem fließenden Gewässer übergeben. Ich persönlich würde das in der Natur nicht mit scharf gewürztem Industriefood machen. 
Auch das haben wir vorgestern getan und dazu ein Ewiglicht angezündet. Ich habe ein kleines Dankgebet gesprochen für all jene, die uns vorangegangen sind und uns zum Teil noch immer zur Seite stehen. Dieses Ahnenlicht ließen wir in einer Nische der Friedhofsmauer hier um die Ecke stehen. Bei der Gelegenheit dachte ich auch kurz an all jene verstorbenen Menschen, an die sonst niemand dachte an diesem Abend. Wer weiß, vielleicht haben sie es gehört und sich gefreut.

Schließlich und endlich ist angeblich die Nacht von Samhain auch die einzige im Jahr, in der man ungestraft verfluchen darf. Leute, die das Hexesein sehr ernst nehmen, denken ja, daß alles, was sie aussenden, dreifach auf sie zurückfällt. Ich bin weder eine Hexe noch ein Mensch, der sich dauernd vor drohenden Damoklesschwertern duckt und aufpaßt, daß er immer lieb und nett ist, damit es nur ja nicht auf ihn zurückfällt. Ich glaube, wenn ich richtig, richtig sauer auf jemanden werde, kann ich das an jedem Tag des Jahres zum Ausdruck bringen. 
Aber ich bin praktisch nie richtig sauer auf irgendjemanden. Ich bin ein klassischer Feindversteher und will immer Gründe; ich bringe es einfach nicht über mich, ein Arschloch als Arschloch abzuurteilen und ihm zu wünschen, daß ihm die Weichteile abfaulen. Daher nutze ich diese Nacht auch nie, um Leute zu verfluchen, sondern wenn ich fluche, verfluche ich Zustände, Gefühlslagen und andere Dinge, die ich an mir selbst verändern kann und will. 
Und zwar nehme ich dazu einen Granatapfel und ein Messer, steche das Messer mit Schmackes in den Granatapfel und halte dann nur noch den Messergriff. Sollte man das in der Gruppe machen: Der Apfel darf ab Messerkontakt nicht mehr berührt werden! (Das schafft zum einen mächtig viel magische Spannung - und zum anderen will man ihn ab dem nächsten Schritt auch ganz sicher nicht mehr berühren.) Dann spuckt der erste auf den Apfel und spricht dazu seinen Fluch aus. Ich habe gespuckt und gesagt "Ich verfluche und dulde nicht mehr in meinem Leben …" und entsprechend, was ich los werden sollte. Wenn alle Ritualteilnehmer fertig sind, wird auch der Granatapfel einem Fluß oder Bach übergeben oder einfach mit Schwung in den Wald geworfen, wenn Wasser nicht verfügbar. Dieses Ritual würde ich nicht zu Hause machen und den Apfel würde ich auch nicht in den eigenen Müll werfen, sondern irgendwo ins Freie, wo die Natur ihr Werk tun und alles Ungewollte assimilieren kann. 
Schlichtes kleines Ding, aber das tut unglaublich gut. =)



Und schließlich kann man den Abend damit beenden, Kindern Angst vorm Zahnarzt zu machen oder einfach gemütlich beisammen zu sitzen, vielleicht ein bißchen zum Spaß oder auch zum Ernst zu orakeln, einen Tee zu trinken und alles ein wenig klingen zu lassen. Schließlich muß man am nächsten Tag schon wieder in die andere Richtung sehen, die Zukunft, und auf jeden kleinen Schritt dorthin.

Was bedeutet Euch das Ahnengedenken? 

2 Kommentare:

athena hat gesagt…

Whow, Süße - einer der schönsten Texte über Samhain, die ich bisher in allen Blogs gelesen habe! Ich meine ich kannte den persönlichen Bericht von Deinem Ritual ja schon und wollte Dir ohnehin noch vorschlagen hier darüber zu schreiben.
Das mit dem Granatapfel find ich sooo toll (wenn auch etwas eklig ;-) und auch das mit dem Kelch rumgehen lassen.
Endlich mal ein paar neue Ideen! =)

Hummel hat gesagt…

Dangedange! =)