Montag, 10. September 2012

Bosstalk

Seit 2 Wochen geht es mir so:

Morgens

Dirigent: "murmelmurmel" und hebt den Taktstock.
Boss: "Wo sind wir? Wo fangen wir an? Das könnte uns doch Hummel wirklich mal sagen, die hat doch 'nen Auszug!" (Boss sitzt 5 Stuhlreihen hinter dem Dirigenten im Parkett. Ich sitze in einem schalldichten Raum.)

Mittags

Regieassistent: "Hier ist dein Auszug, fertig eingerichtet."
Ich: "Danke." Mache meinen Job und gebe sämtliche Stimmungen exakt so, wie laut Auszug vom Regisseur verlangt.
Boss: "Was machst Du da? Das ist totaler Schwachsinn!"
Ich: "...Auszug..."
Boss (zum Regisseur neben sich): "Sorry, but Hummel is in complete confusion!"
Ich: "BRÜLL!" (Ja, ich habe tatsächlich losgebrüllt. Nach 2 Wochen ging es nicht mehr anders.)

Abends

Ich: "Jetzt wird nur noch musikalisch geprobt, da springen sie von Stelle zu Stelle. Soll ich trotzdem mit den Lichtstimmungen mitfahren?"
Boss: "Nee, was für'n Blödsinn, laß das sein, die Apparate müssen geschont werden."
Ich: "Kann ich dann jetzt gehen?" (Es ist 20.30 Uhr, ich bin seit 9.30 da und muß am nächsten Tag wieder um 9.30 da sein. Ich fahre über eine Stunde nach Hause und der Zug, der nur einmal stündlich um halb geht, ist soeben weg.)
Er: "Gehen? Wieso willst Du gehen? Fahr doch mal in die Stimmung!"
Ich: "Dann fahre ich jetzt alle Stimmungen mit?"
Er: "Ja natürlich, die Sänger müssen doch wissen, wie es nachher aussieht!"
Ich: Kopf -> Tisch.

Lichtstimmungen kommen üblicherweise an Stellen, an denen sich auch musikalische Schnittstellen befinden. Soll heißen: Ich hatte nichts zu tun, der Dirigent probt ja nicht die Pausen zwischen den Arien. Um 22 Uhr war die Probe offiziell aus. Ich nahm die S-Bahn zum Hauptbahnhof, um dort zu erfahren, daß diese Nacht keine Züge mehr fuhren. Baustelle. Ich fuhr mit der S-Bahn zurück und nahm eine andere S-Bahn in einen Vorort, von wo ein Schienenersatzbus fuhr. Ich war nachts um 1 Uhr zu Hause und mußte um 6 aufstehen, weil ich Schüler nachholen mußte, deren Unterricht wegen meiner zu 80% sinnlosen Anwesenheit bei Boss ausgefallen war. Gottseidank ist er nur Boss auf Zeit, soll heißen, für diese Produktion und dann nimmermehr. Ich zähle die Tage. Und ich habe ihm trotz aller Wut auch etwas zu verdanken: Ich durfte feststellen, daß meine Kollegen rückhaltlos für mich eintreten. Sogar, wenn ich gar nicht da bin. Was mich an einen Spruch erinnert, den ich mal bei fb gelesen habe: Freunde sind Menschen, die hinter Deinem Rücken gut über Dich reden.

Das war mein Samstag, nachdem mir Freitag Abend jemand ins Auto gekracht ist. Ich hatte seit 2 Wochen keine Nacht mehr als 5 Stunden geschlafen und habe wieder mal am Sinn des Lebens im Allgemeinen und im Besonderen gezweifelt. Sonntag früh fuhr ich dann 1,5 Stunden an den Arsch der Welt in ein kleines Dorf, das ich ab sofort mit Klavierunterricht versorge. Dort gab ich, weil das Heimatmuseum, wo ich eigentlich unterrichten sollte, den Tag gesperrt war, Stunden auf einem Schulklavier, dessen Tasten nur teilweise Töne produzierten. Von einigen fiel die Kunststoffverkleidung ab und man konnte sich Splitter einreißen. Da, wo der Kunststoff noch drauf war, war er mit Orangensaft (jedenfalls hoffe ich das) verklebt und das Pedal erfüllte seine Aufgabe nur, wenn man sich mit dem gesamten Körpergewicht draufstellte. 

Als ich Sonntag nachmittag wieder zu Hause war, konnte ich nur noch heulen. Also habe ich Pizza bestellt - zum Kochen fehlte mir alles, Kraft, Motivation und Zutaten, denn ich hatte einfach keine Zeit, einzukaufen - und meinen Werwolf-Komponisten einmal quer durch die World of Warcraft kloppen lassen, bis meine Stimmung sich normalisiert hatte. Dann habe ich 10 Stunden geschlafen, denn heute habe ich mal nur die Spätschicht und konnte sogar meinen zerballerten Don Carlos in die Werkstatt bringen. Sie meinten, die Reparatur würde eine Woche dauern und vermutlich über 2500 € kosten. Stoßdämpfer und Heckklappe müssen ausgetauscht und die Autogasanlage gründlich überprüft werden, außerdem wurde der Auspuff zusammengeschoben und muß ebenfalls bis zur Motorhaube ran ausgetauscht werden.

*seufz*

Da hilft nur noch richtig gute Musik.



P.S.: Die richtig gute Musik aus dem letzten Post, um mal das Kinderrätsel aufzulösen, war natürlich das Requiem von W.A. Mozart.

3 Kommentare:

athena hat gesagt…

Ach Maus - und Du willst mir was erzählen ob meine Arbeit gut für mich ist...? *grinst schief*
Sag mal, ist das etwa Deine neue Stelle? Ist ja unter aller Kanone...
Na ja, Hauptsache es geht Dir gut und ich schätze die harten Zeiten gehen auch vorüber... :-*

Hummel hat gesagt…

Ja, will ich. =) Deine hat ja mit meiner nix zu tun. :-*
Nein, das ist meine alte Stelle. Und der Boss auf Zeit ist nur noch bis zur Premiere da, also zähle ich einfach die Tage rückwärts. Ich bin nicht die einzige, meine sehr kompetente Chefin wurde auch die letzten Tage sowas von verbal und faktisch degradiert, daß man nur noch mit hängendem Unterkiefer staunen kann. Wir machen jetzt einfach Dienst nach Vorschrift - wer uns für blöd hält, bekommt genau das, stumpfe Roboter.
Und ich für mich komme seit heute mit der zwischenmenschlichen Misere besser klar, weil ich bemerkt habe, daß eine wichtige Lektion für mich darinsteckt: Einfach mal die Klappe halten. Etwas, das ich in beruflichen Dingen nur sehr schlecht beherrsche. Und wenn ich etwas ungerecht oder einfach dumm finde, neige ich zu einem gewissen Sarkasmus, der nicht immer gut ankommt. *hust* Also betrachte ich diese Woche als kostenlose Übung in der Königsdisziplin Geduldig Lächeln Auch Wenn Die Faust Zuckt.

Tricia Danby hat gesagt…

Erinnere dich an die Legung die du bekommen hast.

Mehr sag ich dazu nicht, - außer Lächeln und Winken