Montag, 5. August 2013

Irland 05 - Bangor, Movilla, Downpatrick

Am Freitag hat meine Mutter gestreikt. Die Hitze machte uns zu schaffen (das Hotelzimmer war auch wirklich nicht auf eine Hitzewelle vorbereitet, schließlich befand es sich in Nordirland) und das Auto hatte keine Klimaanlage - sie wollte den Tag mit einem Kaltgetränk und einem Sudokuheft bei möglichst wenig körperlicher Aktivität verbringen. Also zog ich alleine los und machte gleich eine schön riesige Tour über den St Patrick's Trail, der über eine ganze Menge Ortschaften im östlichen Nordirland führt. 

Zuerst fuhr ich auf die Autobahn Richtung Belfast. Die M1 fährt sich sehr unkompliziert, wie überhaupt die Autobahnen total gut ausgeschildert und die Verkehrsführung simpel sind. Unterwegs probierte ich mal das Autoradio aus. Wie zur Begrüßung im alten Ulster kam als erster Sender ein BBC Klassikradio, das mir die Hebridenouvertüre vorspielte. Sehr schön. =) (Ganz unten im Post ist ein Musikvideo, wer beim Lesen auch die Hebriden hören und fühlen möchte…)
Danach wechselte ich auf einen Sender, der mir eine halbe Stunde Interview auf Gälisch anbot, was ich sehr genoss, obwohl ich nur ein einziges Wort verstand. Immerhin kam das mehrmals vor. ^^

Kurz vor Belfast war mitten auf der Autobahn ein Kreisverkehr. Ich machte Stielaugen, aber das System funktioniert offenbar auch bei hohen Geschwindigkeiten. Schade für Mama, die die englische Bezeichnung "Rundherum" für Kreisverkehre so liebte, daß sie die ganzen 12 Tage geübt hat, Roundabout auszusprechen, dieser hier hätte sie sicher begeistert. 

Dann war kurz Stadtautobahn und eine halbe Stunde nach Belfast landete ich in dem kleinen Städtchen Bangor. Hier wußte ich ausnahmsweise schon vorher relativ gut darüber Bescheid, was ich eigentlich sehen wollte. Über mein ganz persönliches Erleben Bangors schreibe ich vielleicht nochmal ausführlicher an privaterer Stelle, aber hier erstmal so viel: Das Kloster, das den Ort bekannt gemacht hat, gibt es schon seit hunderten von Jahren nicht mehr. Es wurde im 6. Jahrhundert von St Comgall gegründet und erreichte auch zu seiner Zeit als Abt bereits seine erste und größte Blüte. Allein zu Comgalls Lebzeiten sollen mehrere tausend Menschen dorthin gezogen sein, um zu lernen. In den kommenden 400 Jahren wurde es immer wieder überfallen, wie so viele Klöster, und ausgeraubt & niedergebrannt. Verdammte Wikinger. Daher sind auch z.B. vom Antiphonarium nur Bruchteile überliefert.
Im 12. Jahrhundert baute St Malachias (der übrigens aus Armagh stammte, dort Erzbischof war und angeblich in den Armen Bernards von Clairvaux gestorben sein soll) das Kloster von Grund auf neu, dort, wo er glaubte, daß das alte gestanden habe. Dieses starb einen langsamen Tod - im 16. Jahrhundert wurde es salopp ausgedrückt aus Mangel an Interesse geschlossen.

Heute steht hier die St Comgall geweihte Gemeindekirche der Anglikaner - Bangor Parish Church - inmitten eines schönen alten Friedhofs irischer Art. 


Man betritt den Kirchhof durch St Malachy's Wall, das letzte erhaltene Stück aus Malachias' Kloster.

 

Ein paar schöne Kreuze und viele alte Grabsteine, die als Horrorfilmdeko dienen könnten. ;-)


An der Wand neben der Eingangstür dieses schöne Gedenkschild an St Columbanus, einen Schüler St Comgalls, der zu den ersten iroschottischen Missionaren gehörte, die den Weg auf's europäische Festland genommen haben. Er hat seinen Lehrer und Abt Comgall zweimal darum gebeten, gehen zu dürfen, und erst beim zweiten Mal (da war er schon um die 50 Jahre alt) die Erlaubnis bekommen. Und es stellte sich als genau der richtige Weg für diesen Mann heraus.


Ich finde es auch einerseits amüsant, andererseits anrührend, wie erst ein St Patrick von Frankreich nach Irland ging, um dort die Saat zu legen, und dann seine Schüler und Nachfolger im Geiste nur Jahrzehnte später die kleinen Pflänzchen zurückgetragen und überall zwischen Nordirland und Rom ausgepflanzt haben.


Da die Kirche nicht unbedingt ein touristischer Anlaufpunkt ist (Nerds wie ich sind selten), ist sie nur 2 Stunden am Nachmittag für Besichtigungen offen. So lange aber wollte ich nicht warten - zum Einen hatte ich mir fest vorgenommen, es heute vor 16 Uhr noch einmal nach Downpatrick zu schaffen, zum Anderen habe ich hier etwas erwartet, das nicht eintraf. Nichts an dieser Kirche hieß mich willkommen. Nichts erschien mir vertraut.
Dieser Besuch war also deutlich kürzer als erwartet, und da ich eine Stunde Parkzeit hatte, dachte ich mir, ich gehe noch ein wenig ins Grüne auf den Hügel hinter der Kirche. Und hier dann endlich das, wonach ich gesucht hatte. Das Gefühl von Erkennen und Vertrautheit, obwohl nichts, aber auch gar nichts darauf hindeutete, daß irgendwo in diesem halben botanischen Garten, durch den ich da rannte, jemals klerikales Leben stattgefunden hätte. 


Dennoch, ich wußte, hier würde ich finden, wonach ich gesucht hatte. Ich bat um Führung, um irgendein Zeichen (genaugenommen dachte ich innerlich etwas ungeduldig "Ey Jungs, Ihr wißt doch, weshalb ich hier bin, jetzt zeigt mir doch endlich, wo es ist") und bekam beides.



Innerhalb weniger Minuten stand ich an dem Platz, an dem alles in mir irgendwie einfach an die richtige Stelle zu rutschen schien. Allerdings war dieser Platz ein Schloß aus dem 19. Jahrhundert, das jetzt ein Hotel ist. Aussichtslos, hier noch nach irgendwelchen Spuren von vor eineinhalb tausend Jahren suchen zu wollen - selbst die Bäume standen damals noch nicht hier. Aber dann fiel mein Blick auf einen etwa brusthohen, unauffälligen Stein mitten auf dem Hotelparkplatz, und da fing es wieder innerlich zu wummern an:




Danke, Jungs. Danke. Ist doch immer wieder schön, festzustellen, daß man doch keinen an der Waffel hat. Jedenfalls nicht allzu schlimm. ^^

So. Freudestrahlend und jede Menge Freudentränen auf die unschuldige Sonnenuhr vergießend brach ich dann auf, denn ich wollte die Ruine des Klosters von Finnian of Moville sehen. Zunächst fuhr ich nach Millisle, einem kleinen Ort an der Ostküste dieser Halbinsel, die den Strangford Lough im Osten begrenzt, und aß dort mein veganes Käsebrot an einem Strand, der eher nach Griechenland als nach Irland aussah.



Danach verbrachte ich eine frustrierende halbe Stunde damit, einen in keiner Weise ausgeschilderten Ort zu suchen, in einer Gegend, in der es nur Feldwege zu geben schien. Irgendwann verfolgte mich ein Wagen, Kilometer für Kilometer. Als mir das mulmig wurde, fuhr ich links ran, und der andere Fahrer stellte sich ganz nah an mein Auto, ließ das Fenster runter und sagte: "I've been following you for about 5 miles, because you look lost. Where do you want to go?" Und lieferte mir eine Ortsbeschreibung. Und da war es:




Diese Ruine wirkte auf mich fast abstoßend. Rundherum ist ein gigantischer Friedhof gewachsen, und ich hatte das Gefühl, das Kirchlein wurde davon erstickt wie von einem Geschwür. Das ist schade, denn es ist wirklich niedlich. Sehr klein, vielleicht 5, 6 Meter hoch, und ursprünglich bestimmt mal sehr hübsch. Nun gut. Jetzt war es schon 14 Uhr und ich fuhr erst den ausgeschilderten St Patrick's Trail Richtung Süden, doch da er am See und nicht am Meer entlangführte, verließ ich ihn bei der nächsten Gelegenheit zugunsten der anderen Küste. Die war wieder eher wie Südeuropa und nicht wirklich mein Fall, was Naturschönheiten angeht, aber okay.

In Portaferry nahm ich die Fähre nach Strangford:


Und in Nullkommanix war ich wieder in Downpatrick. Und JAAAA, der Shop hatte offen. Und das bißchen Kirche, das zufällig die Shopwände bildet, war damit ebenfalls begehbar.
Im Eingangsbereich steht dieser Taufstein, der mal das Fußstück eines offenbar riesigen Steinkreuzes gewesen ist. Dahinter erhebt sich die Orgel auf einer offenen Empore und bildet sozusagen die Wand. Man geht unter der Orgel hindurch durch verschließbare Türen, aber oben auf der Empore ist die Wand immer offen. Das fand ich wirklich faszinierend.


Im Inneren war alles relativ normal - keine Begeisterungsstürme von meiner Seite, außer für diese Fenster. Es ist eigentlich nur 1 Fenster, aber eben in 4 Abteilungen. Die linken beiden zeigen Patrick als Sklaven, die rechten als alten Mann, und jeweils bei derselben Tätigkeit: Eine Herde zu hüten. Erst Schafe, dann Christen. Wieder sehr liebevoll gestaltet.



Ein Apostelfenster, an dem mir der blonde Jüngling John besonders ins Auge fiel:


Und dieses großartige Familienwappen mit dem Wahlspruch "Animo non Astutia", was soviel bedeutet wie "Mut/Beherztheit, nicht Geschicklichkeit". Ja, das kann nur zu einem schottischen oder Nordirischen Clan gehören - da Irland ja früher in 4 Bereiche geteilt war und dem oberen, Ulster, der Krieg zugeordnet wurde. (Alle anderen hatten so tolle wie Musik und Gerechtigkeit, aber die Hitzköpfe da oben, naja.)


Ich betrat auch den Shop. Jawohl. Ich habe nichts gegen Shops. Genauso, wie ich es aushalte, wenn Leute in Konzerten applaudieren, obwohl sie nach manchen Stücken einfach mal die Klappe halten sollten  mehr davon profitieren würden, einen inneren Nachklang zuzulassen. In diesem Shop jedenfalls gab es Büüücher, Bücher, die dazu geführt haben, daß ich beim Rückflug auf Gepäckgewichtsüberschreitung Strafe zahlen mußte.

Wieder draußen zog es mich geradezu magnetisch zurück zum Grab. Es war ein strahlend sonniger Freitag, mitten in der Sommer-Touristenzeit. Und niemand war da. Niemand, nicht eine Seele außer mir. Genau das hatte ich mir tags zuvor gewünscht - hier noch einmal sitzen und völlig ungestört sein. Das empfinde ich als großes Geschenk, das mir gewährt wurde. Heute waren die Blumen von gestern verweht und die Münzen verschwunden. Eine einzelne Münze lag neu exakt in der Mitte des eingravierten Kreuzes. Und einige habe ich dazugelegt. Ich gehe davon aus, daß Menschen, die dieses Geld auf abendlichen Beutezügen einsacken, es nötig genug haben, um es ihnen von Herzen zu gönnen.


Blick von St Patrick's Grave auf Downpatrick:




7 Kommentare:

athena hat gesagt…

Ehrlich gesagt gehe ich davon aus dass die Shopinhaber... ähhh, pardon - die Kirche meine ich natürlich ^^ das Geld einsammelt ;-)

Und habe ich eigentlich schon erwähnt wie ich Dein Reisetagebuch liebe? Es ist so genail, ich freue mich auf jede neue "Folge" =D
Die Fotos sind einfach ein Gedicht! :)

Hummel hat gesagt…

Hach, das freut mich jetzt aber ganz besonders. =) Morgen gibts wieder eine Folge. ^^

Die Shopinhaber machen ja um 16 Uhr Feierabend, da war niemand mehr anzutreffen. Also wenn die nicht gerade Abends noch eine Patrouille losschicken, würde ich wirklich eher auf Bettler tippen. Aber wer weiß. =)

Anonym hat gesagt…

Für deine Mutter:
http://www.youtube.com/watch?v=2ljFfL-mL70

Hummel hat gesagt…

*gröhl* Ich werf mich weg, das ist wirklich zu schön. *tupft die Lachtränen ab* Hab ich das Dir zu verdanken, Alexis?

Emily hat gesagt…

Ich möchte Dir für Deine schöne Reiseberichten danken. Es fühlt sich fast so an als wäre man selbst dort gewesen.
Ein bißchen heimweh kommt da in mir auf. Aber Deiner Bilder lindern es dann gleich wieder. Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht.
Liebe Grüße
Emily

Rowan hat gesagt…

*schnüff* *schnüff**schnüffschnüffschnüff*

Hummel hat gesagt…

Emily, wenn ich das Heimweh auch gleich lindere, dann ist ja gut. =)

Ash - *knuddel*