Montag, 5. August 2013

Irland 05 - Bangor, Movilla, Downpatrick

Am Freitag hat meine Mutter gestreikt. Die Hitze machte uns zu schaffen (das Hotelzimmer war auch wirklich nicht auf eine Hitzewelle vorbereitet, schließlich befand es sich in Nordirland) und das Auto hatte keine Klimaanlage - sie wollte den Tag mit einem Kaltgetränk und einem Sudokuheft bei möglichst wenig körperlicher Aktivität verbringen. Also zog ich alleine los und machte gleich eine schön riesige Tour über den St Patrick's Trail, der über eine ganze Menge Ortschaften im östlichen Nordirland führt. 

Zuerst fuhr ich auf die Autobahn Richtung Belfast. Die M1 fährt sich sehr unkompliziert, wie überhaupt die Autobahnen total gut ausgeschildert und die Verkehrsführung simpel sind. Unterwegs probierte ich mal das Autoradio aus. Wie zur Begrüßung im alten Ulster kam als erster Sender ein BBC Klassikradio, das mir die Hebridenouvertüre vorspielte. Sehr schön. =) (Ganz unten im Post ist ein Musikvideo, wer beim Lesen auch die Hebriden hören und fühlen möchte…)
Danach wechselte ich auf einen Sender, der mir eine halbe Stunde Interview auf Gälisch anbot, was ich sehr genoss, obwohl ich nur ein einziges Wort verstand. Immerhin kam das mehrmals vor. ^^

Kurz vor Belfast war mitten auf der Autobahn ein Kreisverkehr. Ich machte Stielaugen, aber das System funktioniert offenbar auch bei hohen Geschwindigkeiten. Schade für Mama, die die englische Bezeichnung "Rundherum" für Kreisverkehre so liebte, daß sie die ganzen 12 Tage geübt hat, Roundabout auszusprechen, dieser hier hätte sie sicher begeistert. 

Dann war kurz Stadtautobahn und eine halbe Stunde nach Belfast landete ich in dem kleinen Städtchen Bangor. Hier wußte ich ausnahmsweise schon vorher relativ gut darüber Bescheid, was ich eigentlich sehen wollte. Über mein ganz persönliches Erleben Bangors schreibe ich vielleicht nochmal ausführlicher an privaterer Stelle, aber hier erstmal so viel: Das Kloster, das den Ort bekannt gemacht hat, gibt es schon seit hunderten von Jahren nicht mehr. Es wurde im 6. Jahrhundert von St Comgall gegründet und erreichte auch zu seiner Zeit als Abt bereits seine erste und größte Blüte. Allein zu Comgalls Lebzeiten sollen mehrere tausend Menschen dorthin gezogen sein, um zu lernen. In den kommenden 400 Jahren wurde es immer wieder überfallen, wie so viele Klöster, und ausgeraubt & niedergebrannt. Verdammte Wikinger. Daher sind auch z.B. vom Antiphonarium nur Bruchteile überliefert.
Im 12. Jahrhundert baute St Malachias (der übrigens aus Armagh stammte, dort Erzbischof war und angeblich in den Armen Bernards von Clairvaux gestorben sein soll) das Kloster von Grund auf neu, dort, wo er glaubte, daß das alte gestanden habe. Dieses starb einen langsamen Tod - im 16. Jahrhundert wurde es salopp ausgedrückt aus Mangel an Interesse geschlossen.

Heute steht hier die St Comgall geweihte Gemeindekirche der Anglikaner - Bangor Parish Church - inmitten eines schönen alten Friedhofs irischer Art. 


Man betritt den Kirchhof durch St Malachy's Wall, das letzte erhaltene Stück aus Malachias' Kloster.

 

Ein paar schöne Kreuze und viele alte Grabsteine, die als Horrorfilmdeko dienen könnten. ;-)


An der Wand neben der Eingangstür dieses schöne Gedenkschild an St Columbanus, einen Schüler St Comgalls, der zu den ersten iroschottischen Missionaren gehörte, die den Weg auf's europäische Festland genommen haben. Er hat seinen Lehrer und Abt Comgall zweimal darum gebeten, gehen zu dürfen, und erst beim zweiten Mal (da war er schon um die 50 Jahre alt) die Erlaubnis bekommen. Und es stellte sich als genau der richtige Weg für diesen Mann heraus.


Ich finde es auch einerseits amüsant, andererseits anrührend, wie erst ein St Patrick von Frankreich nach Irland ging, um dort die Saat zu legen, und dann seine Schüler und Nachfolger im Geiste nur Jahrzehnte später die kleinen Pflänzchen zurückgetragen und überall zwischen Nordirland und Rom ausgepflanzt haben.


Da die Kirche nicht unbedingt ein touristischer Anlaufpunkt ist (Nerds wie ich sind selten), ist sie nur 2 Stunden am Nachmittag für Besichtigungen offen. So lange aber wollte ich nicht warten - zum Einen hatte ich mir fest vorgenommen, es heute vor 16 Uhr noch einmal nach Downpatrick zu schaffen, zum Anderen habe ich hier etwas erwartet, das nicht eintraf. Nichts an dieser Kirche hieß mich willkommen. Nichts erschien mir vertraut.
Dieser Besuch war also deutlich kürzer als erwartet, und da ich eine Stunde Parkzeit hatte, dachte ich mir, ich gehe noch ein wenig ins Grüne auf den Hügel hinter der Kirche. Und hier dann endlich das, wonach ich gesucht hatte. Das Gefühl von Erkennen und Vertrautheit, obwohl nichts, aber auch gar nichts darauf hindeutete, daß irgendwo in diesem halben botanischen Garten, durch den ich da rannte, jemals klerikales Leben stattgefunden hätte. 


Dennoch, ich wußte, hier würde ich finden, wonach ich gesucht hatte. Ich bat um Führung, um irgendein Zeichen (genaugenommen dachte ich innerlich etwas ungeduldig "Ey Jungs, Ihr wißt doch, weshalb ich hier bin, jetzt zeigt mir doch endlich, wo es ist") und bekam beides.



Innerhalb weniger Minuten stand ich an dem Platz, an dem alles in mir irgendwie einfach an die richtige Stelle zu rutschen schien. Allerdings war dieser Platz ein Schloß aus dem 19. Jahrhundert, das jetzt ein Hotel ist. Aussichtslos, hier noch nach irgendwelchen Spuren von vor eineinhalb tausend Jahren suchen zu wollen - selbst die Bäume standen damals noch nicht hier. Aber dann fiel mein Blick auf einen etwa brusthohen, unauffälligen Stein mitten auf dem Hotelparkplatz, und da fing es wieder innerlich zu wummern an:




Danke, Jungs. Danke. Ist doch immer wieder schön, festzustellen, daß man doch keinen an der Waffel hat. Jedenfalls nicht allzu schlimm. ^^

So. Freudestrahlend und jede Menge Freudentränen auf die unschuldige Sonnenuhr vergießend brach ich dann auf, denn ich wollte die Ruine des Klosters von Finnian of Moville sehen. Zunächst fuhr ich nach Millisle, einem kleinen Ort an der Ostküste dieser Halbinsel, die den Strangford Lough im Osten begrenzt, und aß dort mein veganes Käsebrot an einem Strand, der eher nach Griechenland als nach Irland aussah.



Danach verbrachte ich eine frustrierende halbe Stunde damit, einen in keiner Weise ausgeschilderten Ort zu suchen, in einer Gegend, in der es nur Feldwege zu geben schien. Irgendwann verfolgte mich ein Wagen, Kilometer für Kilometer. Als mir das mulmig wurde, fuhr ich links ran, und der andere Fahrer stellte sich ganz nah an mein Auto, ließ das Fenster runter und sagte: "I've been following you for about 5 miles, because you look lost. Where do you want to go?" Und lieferte mir eine Ortsbeschreibung. Und da war es:




Diese Ruine wirkte auf mich fast abstoßend. Rundherum ist ein gigantischer Friedhof gewachsen, und ich hatte das Gefühl, das Kirchlein wurde davon erstickt wie von einem Geschwür. Das ist schade, denn es ist wirklich niedlich. Sehr klein, vielleicht 5, 6 Meter hoch, und ursprünglich bestimmt mal sehr hübsch. Nun gut. Jetzt war es schon 14 Uhr und ich fuhr erst den ausgeschilderten St Patrick's Trail Richtung Süden, doch da er am See und nicht am Meer entlangführte, verließ ich ihn bei der nächsten Gelegenheit zugunsten der anderen Küste. Die war wieder eher wie Südeuropa und nicht wirklich mein Fall, was Naturschönheiten angeht, aber okay.

In Portaferry nahm ich die Fähre nach Strangford:


Und in Nullkommanix war ich wieder in Downpatrick. Und JAAAA, der Shop hatte offen. Und das bißchen Kirche, das zufällig die Shopwände bildet, war damit ebenfalls begehbar.
Im Eingangsbereich steht dieser Taufstein, der mal das Fußstück eines offenbar riesigen Steinkreuzes gewesen ist. Dahinter erhebt sich die Orgel auf einer offenen Empore und bildet sozusagen die Wand. Man geht unter der Orgel hindurch durch verschließbare Türen, aber oben auf der Empore ist die Wand immer offen. Das fand ich wirklich faszinierend.


Im Inneren war alles relativ normal - keine Begeisterungsstürme von meiner Seite, außer für diese Fenster. Es ist eigentlich nur 1 Fenster, aber eben in 4 Abteilungen. Die linken beiden zeigen Patrick als Sklaven, die rechten als alten Mann, und jeweils bei derselben Tätigkeit: Eine Herde zu hüten. Erst Schafe, dann Christen. Wieder sehr liebevoll gestaltet.



Ein Apostelfenster, an dem mir der blonde Jüngling John besonders ins Auge fiel:


Und dieses großartige Familienwappen mit dem Wahlspruch "Animo non Astutia", was soviel bedeutet wie "Mut/Beherztheit, nicht Geschicklichkeit". Ja, das kann nur zu einem schottischen oder Nordirischen Clan gehören - da Irland ja früher in 4 Bereiche geteilt war und dem oberen, Ulster, der Krieg zugeordnet wurde. (Alle anderen hatten so tolle wie Musik und Gerechtigkeit, aber die Hitzköpfe da oben, naja.)


Ich betrat auch den Shop. Jawohl. Ich habe nichts gegen Shops. Genauso, wie ich es aushalte, wenn Leute in Konzerten applaudieren, obwohl sie nach manchen Stücken einfach mal die Klappe halten sollten  mehr davon profitieren würden, einen inneren Nachklang zuzulassen. In diesem Shop jedenfalls gab es Büüücher, Bücher, die dazu geführt haben, daß ich beim Rückflug auf Gepäckgewichtsüberschreitung Strafe zahlen mußte.

Wieder draußen zog es mich geradezu magnetisch zurück zum Grab. Es war ein strahlend sonniger Freitag, mitten in der Sommer-Touristenzeit. Und niemand war da. Niemand, nicht eine Seele außer mir. Genau das hatte ich mir tags zuvor gewünscht - hier noch einmal sitzen und völlig ungestört sein. Das empfinde ich als großes Geschenk, das mir gewährt wurde. Heute waren die Blumen von gestern verweht und die Münzen verschwunden. Eine einzelne Münze lag neu exakt in der Mitte des eingravierten Kreuzes. Und einige habe ich dazugelegt. Ich gehe davon aus, daß Menschen, die dieses Geld auf abendlichen Beutezügen einsacken, es nötig genug haben, um es ihnen von Herzen zu gönnen.


Blick von St Patrick's Grave auf Downpatrick:




Freitag, 2. August 2013

Momentaufnahme und Freitagsfüller

Heute Vormittag beim Neurologen. Auf diesen Termin habe ich ein halbes Jahr gewartet. Da saßen wir alle, überwiegend ältere Leute, aber auch einige junge Männer, von der brütenden Hitze praktisch außer Gefecht gesetzt im hoffnungslos überfüllten Wartezimmer.
Alle starren stumm vor sich hin. Kleine Highlights sind hilflose Leute mit Rollator oder Blinde in Rollstühlen, die vergeblich versuchen, die Ausgangstür zu benutzen, die sehr schwer zu öffnen ist - dann starren alle nicht mehr auf den Boden, sondern auf die Tür. Die einzige, die sich (wohlgemerkt in Anwesenheit dreier junger, muskulöser Männer im Wartezimmer und mehrerer junger Mitarbeiterinnen im Anmeldezimmer) immer wieder bemüßigt fühlt, den Leuten die Demütigung eines Scheiterns an einer simplen Tür zu ersparen, bin ich.
Irgendwann fällt mein Blick auf eine Broschüre: "Gemeinsam mehr erreichen". Desinteressiert, aber kurz vor dem intellektuellen Totalausfall greife ich danach und erwarte Werbung für den städtischen Sportverein. Es kommt jedoch eine Information über den Umgang mit Schizophrenie. Man soll Verständnis haben.
Nach einer halben Stunde gibt es weniger Stühle als Leute. Ich stehe auf und stelle mich zwischen die beiden Räume - ich ertrage zuviel Nähe schon bei kühleren Temperaturen nur schlecht, und niemand sonst wollte offenbar dem humpelnden Ehepaar mit identischen Gehstöcken einen Platz freimachen.
Nach 45 Minuten gebe ich meine heroische Haltung auf und rutsche an der Wand zu Boden. Lieber hocken als kollabieren, denke ich mir, denn mir ist schwindlig, und ich stehe nur noch auf, wenn die Gruppe zur Tür starrt.
Nach einer Stunde wird die Frau direkt neben der Tür aufgerufen und es fehlen keine Plätze mehr. Ich setze mich. Aufgrund dieser Position bin ich so ziemlich die Einzige, die die Gespräche draußen hören kann.
Ein alter Mann kommt herein. Er hat keinen Termin und jammert, daß er aber nicht bis Nachmittags warten möchte. "Och, so lange dauert das doch nicht", sagt die Sprechstundenhilfe, deutet auf mich und ergänzt fröhlich: "Sonst fällt uns schon etwas ein, Sie zu beschäftigen. Sehen Sie, die junge Frau da hält dauernd Leuten die Tür auf."
Ich hebe zwei schweißbedeckte Augenbrauen und brumme: "Irgendwie muß ich mir ja die Zeit vertreiben." Im Moment, da ich meine Stimme höre, wird mir klar, daß niemand in diesem Wartezimmer gehört hat, worauf ich gerade reagiert habe. Alle starren mich an.
"Ich bin nicht schizophren", will ich sagen, "Und selbst wenn, haben Sie bitte Verständnis!"
Doch ich schweige und starre zu Boden. Alle anderen tun es mir gleich.

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Freitagsfüller.

1. Endlich habe ich meine Angst vor einer bestimmten Sache verloren und genieße das Jetzt.

2. Niemand beschränkt sich in Arbeitssitzungen jemals auf die wichtigsten Fakten. Stattdessen wird in alle Richtungen persönlich angegriffen, tatsächliche und angebliche Schuld an diversen Zuständen von A nach B nach Z geschoben und am Ende sieht sich wieder niemand in der Pflicht, etwas zu verändern. (Und dann wird man vom Chef angerufen, der sich dafür bedankt, daß man den einzig konstruktiven Diskussionsbeitrag in einem fünfstündigen Gespräch mit Land- und Kreistagsabgeordneten geleistet hätte. So als jüngstes und neuestes Mitglied der Firma sind das irgendwie erschreckende Aussichten.)

3. Die nächste Reise geht nach Schottland. Wann und wie auch immer.

4. Guter Instrumentalunterricht ist jeden Cent wert, laßt Euch das gesagt sein, Ihr Eltern von Kindern, die in die Musikschulen geschubst werden!

5. Sieht so aus, als ob ich heute doch nicht mit dem Hund baden gehen kann. Der kippt mir ja tot um vorher. Ich bin nach dem erbaulichen Neurologen noch eine Stunde in der Stadt herumgefahren, aber niemand, echt niemand hat Hundebadewannen. Ich habe sogar nach Plastik-Unterbettkommoden gefragt in Möbelhäusern, aber die gibt es nur in Mopsgröße. Und bitte, wer will denn das. ^^

6. Wenn heute beim Hundesitten wieder blöde Pseudoargumente gegen veganes Essen kommen von Leuten, die 2x jährlich im Krankenhaus sind, sich vor Gelenkschmerzen und Übergewicht kaum noch bewegen können und mal ernsthaft erklärt haben, man müsse sich aufs Alter vorbereiten, dann gehe ich aufs Gästeklo, schließe die Tür und tue so, als müsse ich mich lautstark übergeben, oh ja! 
(Ich muß wieder den Hund festhalten, während Besuch kommt. ;-) Mache ich ausgesprochen gerne, und eigentlich wollte ich mit dem Hund sogar ganz weit weg, denn manche Verwandte sind… naja, reden wir nicht drüber.)

7. Was das Wochenende angeht, heute Abend freue ich mich auf Grillen mit den Eltern und vielleicht noch ein spätes Stündchen Zocken / Chatten, morgen habe ich geplant, meinen Bruder zu besuchen und über Nacht zu bleiben, und Sonntag möchte ich den letzten freien Tag vor 2 wahnsinnig harten Monaten, die vor mir liegen, ausgiebig genießen.

Donnerstag, 1. August 2013

Irland 04 - Downpatrick | Gottlooooos!

Der Donnerstag unserer ersten Woche führte uns nach Downpatrick. Wieder mal war ich völlig unbeleckt von Vorabinformationen - ich hatte nur in irgendeinem Heftchen vom Irlandstand auf der ITB in Berlin gelesen, daß dort sein Grab sein soll. Na, dachte ich, kannste nicht hinfahren, ohne Dir das mal anzugucken.

Vorneweg erstmal ganz kurz: In Nordirland wird ja mit britischen Pfund bezahlt. Ist das Motto auf dieser 10-Pfund-Note nicht fantastisch? "Nichts sei Euch unmöglich". Dazu dieses hübsche Herzchen auf beiden Seiten. Jahaaa, so sind die Ulsterer. ;-)


Nach Downpatrick gab es einen Weg von 1,5 Stunden im Binnenland oder zur Auswahl 2,5 Stunden an der südlichen Küste. Wir haben uns für die Küste entschieden, aber da ich gefahren bin, gibt es davon keine Fotos. Ihr müßt mir also einfach glauben, wenn ich sage, daß es großartig war.

Als wir in der Stadt ankamen, hatten wir natürlich überhaupt keinen Plan. Ich fuhr einfach schnurstracks auf den nächsten Kirchturm zu, und siehe da, es war tatsächlich eine St Patrick's Cathedral. Allerdings wieder einmal ein neogotischer (oder naja nicht wirklich) Bau, der dem Heiligen einfach geweiht ist. Zu dieser Gemeinde (Parish of Downpatrick) gehören außerdem noch 3 Kirchen: St Brigid's, St Columcille's, St Malachy's. Schön, oder?
Wenn man sich so die irischen frühchristlichen Heiligen (das Wort "holy" bezeichnete damals einfach nur einen Christen übrigens, daher ist es auch völlig normal, daß Patrick in seinem Traum rufen hörte "come to us, oh holy youth") mal anguckt, ihre lebensnahe, das Leben bejahende Art, ihre friedliche Missionierung durch Vorleben statt wie später im Mittelalter durch Schwert und Blut - ich finde es schön, daß genau diese Leute dort oben heute so eine große Rolle spielen.

Es war, wie jeden Tag seit unserer Ankunft, schweinisch heiß. Wir wurden mehrfach von Iren darauf angesprochen, daß das ungewöhnlich sei und genau zu unserer Ankunft. Wir fanden auf dem weitläufigen Parkplatz vor der Kirche das einzige Plätzchen im Schatten und schüttelten uns nach der langen Fahrt ohne Klimaanlage erstmal die Glieder aus. Dann spazierten wir hinauf.


Vor der Kirche ein kleines Plätzchen mit Gräbern früherer Reverends. Dieser hier hieß auch Patrick, die Kreuze dort waren wirklich wunderschön.


Ich liebe dieses Relief über der Eingangstür. Sein Gesicht scheint hier zu sagen: Chillt mal, Leute.


Überm Gemeindebüro muß er natürlich auch rumhängen:


Blick von der Tür zum Altar:


Der verschlissene Teppich zeigt in regelmäßigen Abständen keltische Motive:


Blick vom Altarraum zur Orgelempore:


Die wie immer wunderschönen Fenster zeigen hier St Patrick und St Columcille:


…und hier St Brigid und St Malachy:


Links vom Altarraum konnte man Gebetskerzchen anzuzünden; direkt neben diesem wunderhübschen Mosaik, das die 4 Evangelisten darstellt:


Und dann im Seitenschiff - ein Fest für St Patrick Fans. Drei große Fenster zeigen ihn als Jüngling, der versklavt Schafe hütet, als jungen Mann, der Botschaften von Engeln empfängt (unter anderen die, zurück nach Irland zu gehen, um genau da christlich zu wirken, wo er selbst so grausame Jahre durchleben mußte) und als Erwachsenen, der unter Iren lebt und sein Werk tut:




Diese Seitenkapelle war abgeteilt durch eine Glasfensterwand, ganz zart in Holzrahmen gefaßt und mit diesen schönen Glasmalbildern wie hier Columban (das ist nicht Columcille, von dem es auch ein wunderschönes Bild gibt, sondern ein Mann ähnlichen Namens, der bei St Comgall in Bangor studiert hat und von dort aus eine Missionsreise angetreten hat).


Hinter dieser Glaswand, unter den hohen Fenstern erwartete mich eine Wand mit Mosaiken, die Patricks Leben darstellen und dabei so unfassbar detailreich, mit so viel Liebe und Hingabe gestaltet sind, daß ich wirklich mit offenem Mund dastand und nur staunen konnte.
Seine Entführung aus seinem Zuhause - völlig richtig mit Nachthimmel, mit den römischen Gebäuden im Hintergrund, dem Schiff… und man achte auf die rotbraune Haarfarbe und das bartlose Gesicht. =) Genau, wie ich ihn immer im Kopf hatte.


Wie er als Sklave beim Beten (man achte auf das schlichte Gewand und die idyllische Landschaft) ins Gespräch mit dem heiligen Geist kam:


Wie er sich als junger Erwachsener (guckt! Haare und bartlos!) loszieht, begleitet offenbar von einigen wenigen Mönchen und sogar einem Soldaten zu seinem Schutz. Hier das erste mal die Geste, von der ich vergessen habe, wie sie heißt, die aber viele Statuen von ihm als Bischof auch zeigen. Er ist jetzt nicht mehr hilflos, sondern geht mit festen Schritten vorwärts (sogar vor dem eher skeptisch aussehnden Soldaten und weit vor den beiden ängstlichen Männern in Kutte ^^), wohl wissend, daß sein Vorgänger ermordet oder vertrieben wurde, wohl wissend, was die Kelten ihm selbst angetan hatten und in der festen Überzeugung, daß Gott selbst ihm keine Wahl läßt:


Der Osterfeuerstreit:


Sein Tod als alter Mann auf dieser schlichten Pritsche, immer noch in der einfachen Kutte und in den Armen seines guten Freundes und Mitpriesters (die Lichtstrahlen! Die umwachsenen Birken links und rechts! Der strahlend sonnengelbe Himmel draußen im Gegensatz zu dem Grau, in dem der Körper liegt, den er nun verlassen darf!)


Ist das nicht uuuuuuunglaublich wunderbar gestaltet? Hach.

Tja, nur ein Grab haben wir nicht gesehen. ^^ Also fuhr ich auf gut Glück in die Stadt hinein, und siehe da, es tauchte recht bald ein Schild auf, auf dem "St Patrick's Centre" stand. Prima, dachte ich mir, das wird eine Art Touristeninformation für Scheuklappentouris wie mich sein, die kann ich ja mal fragen und dann kurz Grab gucken. Aber nein. Das Haus war dann doch etwas größer.



Im Inneren fanden sich eine wundertolle Ausstellung, ein Shop - natürlich ;-) - und ein Café im ersten Stock, mit Türen in den Garten, denn das Haus lehnt an dem Berg, auf dem die Down Cathedral steht. Und ja, das ist jetzt endlich die mit dem Grab. =) Aber zunächst sind wir durch die Ausstellung. Die war grandios! Man bekam einen Audioguide, und zwar einen ganz tollen, leichten, den man ans Ohr hängen konnte, nicht so ein Monster-Walkie-Talkie von mehreren Kilo Gewicht. Ich konnte das Ding für meine Mama auch deutsch einstellen.

Dann ging es hinein. Begrüßt wurden wir von Patricks eigenen Worten:


Dieses Zitat, welches seine Confession eröffnet, war überhaupt an allen Ecken und Enden zu lesen: I am Patrick, a sinner, and the least among the faithful. Das scheint sie irgendwie zu beeindrucken. Immer wieder steht auch irgendwo, daß es gerade Patricks Bescheidenheit war, gepaart mit seiner unverrückbaren Sturheit, wenn es um den Glauben ging, die ihn für die heutige Kirche so menschlich, so greifbar macht.

In der Ausstellung konnte man an bestimmten Punkten Filme sehen, die sein Leben nachstellten. Der Text dazu war ausschließlich der Confession entnommen, also keinerlei Fantasieprodukte, sondern sehr schlicht gefaßt. Aber die Filme… die Ankläger seiner Kirche, von denen immer nur der Mund gezeigt wurde, und seine Antworten, wobei man immer nur die Augen sah. Die Wolfshunde am Strand, als er der Sklaverei entfloh. Und an jedem Punkt, wo ein Filmchen lief, etwas drumrum: Schafsfelle, auf denen man sitzen konnte. Kleider aus der Zeit zum Anprobieren. Eine kleine Wachs-Schweineherde da, wo von seinem Gebet um Essen für die Schiffsbesetzung die Rede war. Dinge aus der Zeit, die ihm begegnet sind, aber nicht von ihm selbst stammten, wie dieser Stein hier:, der Turoe-Stein, der im La Tène-Stil verziert und möglicherweise Cernunnos gewidmet ist:


Und selbst die Trennwände so hübsch verziert, daß man sich nicht als Trennung, sondern Ausstellungsstück betrachten konnte:


Wieder draußen war Hummelchen wieder völlig aufgedreht (mmmmeeeeehrrr! mmmmmeeeeehhhrrr!), aber Mama völlig platt. Ich bekam ein Geschenk (man beachte hier den Sonnenbrand):


Dann gingen wir ins Café, tranken jeder einen riesigen Americano und aßen einen verboten leckeren Riegel Zartbitterschoki. Von hier sind wir über die Terrasse in die Gärten am Hügel gegangen, über die man angeblich zur Kathedrale hochkommen sollte. Hier waren auch wieder viele Mosaike im Boden, manche mit keltischen, manche mit christlichen oder vermischten Symbolen:


Irgendwo war ein Boot nachgestellt wie das, mit dem Patrick von und nach Irland gekommen sein könnte - eine Curach - und hier zum Beispiel ließen sie eine Weidenhecke in Form eines Mönchs, der an einem Schreibpult arbeitet, wachsen:


Das Tor aus dem Garten raus zur Kathedrale war geschlossen, also gingen wir wieder durch das Gebäude und dann den Außenweg. Oben angekommen zeigte uns dieses Schild


den Weg zu diesem Ort:


Das Grab von St Patrick. Es ist einfach ein riesiger Stein, wie man sieht, schon etwas lädiert, auf dem ein Kreuz und sein Name (ohne Zusatz wie "Saint" oder so) eingemeißelt sind. Es ist einfach perfekt. Der Stein wurde vor etwa 100 Jahren von einer Familie der Umgebung an diese Kirche gespendet, da der genaue Ort seines Grabes nirgends belegt und unauffindbar ist. Immerhin wurde die gesamte Existenz des Mannes 200 Jahre nach seinem Ableben einfach totgeschwiegen; selbst seriöse Historiker der Zeit machten einen weiten Bogen um ihn, denn die römisch-katholischen Allerwertesten hatten zuviele Probleme mit ihm und seiner eisernen Armutsstrategie gehabt. ^^ Also nix mit Grabsteinpflege und so damals, daher liegt heute alles im Dunkeln. 
Aber es lagen Blumen und einige Münzen auf dem Stein, was ich total schön fand. Leute kommen offenbar hierher um zu beten, und sie geben etwas Kleines zurück. Und ob es nun sein Grab ist oder nicht - irgendwo auf diesem Hügel oder in der Nähe ist es auf jeden Fall, und die Energie dieses Ortes hier, wo der Stein liegt, ist unbeschreiblich. Es wummert und wogt, es rührte mich an und machte mich glücklich, mit einem tränenden Auge. Hier fließen all diese Gebete zusammen, die Hoffnungen der Menschen, die getröstet wieder weggehen, nachdem sie ihr Blümchen dagelassen haben, die Pilger, die am St Patrick's Day in Massen kommen und die einzelnen Leute, die sich kaum herantrauen. Das war einfach nur schön. Und wieder hat meine Mama in völliger Verkennung meiner emotionalen Lage und gegen meinen Willen eine große Menge Fotos von mir geschossen, die alle recht rotnasig wirken.

Dann wollten wir in die Kirche, und sie war zu. Geschlossen. Um viertel fünf am Nachmittag. Das ist 16.15 Uhr, für die Westdeutschen unter meinen geschätzten Lesern. Zu. Niemand da. Ich dachte, mein Schwein pfeift. Ich rief also diese Nummer an:


Und bekam einen Anrufbeantworterspruch zu hören: "Welcome to Down Cathedral. The Shop is open from Monday to Friday 10 am to 4 pm." Ich konnte es nicht glauben. Willkommen in der Kirche mit dem Grab des Mannes, der sein Bischofsamt verlieren und sogar exkommuniziert werden sollte, weil er die Geschenke der armen und reichen Menschen konsequent ablehnte, was seine Kirchenoberen in Frankreich als "Unterschlagung von Finanzen der Kirche" bewertete? Weil er der Meinung war, eine Kirche sei ein Ort zum Beten, kein verdammter Tresorraum? Der Mann, der Gaben, die heimlich in seiner Abwesenheit auf den Altar gelegt wurden, sogar wieder zurückbrachte? The Shop is open und kein Wort zum eigentlichen Gebäude? In meinem Inneren ist jemand rasend die Wände hochgelaufen.

Guckt Euch unbedingt das gesamte Stück an - die Kernbotschaft kommt bei Minute 4, und ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich aus dem Kern meines Wesens im 2. Sopran "GOTTLOOOOOOS!" geschrien gesungen habe, damals, als ich noch selbst in Chören sang…